07.07.2020 FHreSH-Award: Tourismus-Start-Ups für eine nachhaltige Zukunft
Der Ansturm auf die Küsten des Landes ist in diesem Jahr besonders groß. Deutsche Urlauber sehnen sich nach Strand, Fischbrötchen und Erholung – was ihnen durchaus gegönnt sei. Einerseits kann die Tourismusbranche froh sein, dass die Urlaubsaison 2020 nun doch nicht vollkommen ins Wasser fällt, andererseits kommen somit auch neue Aufgaben auf sie zu. Denn nicht nur die Hygiene- und Abstandsregeln stellen angesichts der vollen Hotels und Strände eine Herausforderung dar, sondern auch der Aspekt der Nachhaltigkeit. Damit das schönste Bundesland der Welt eine beliebte Urlaubsdestination bleibt, beschäftigten sich BWL- und Wirtschaftsinformatik-Studierende der Fachhochschule Kiel im Gründungsmodul „Capstone“ mit nachhaltigem Tourismus in Schleswig-Holstein. Sie entwickelten eigene Business-Konzepte, welche die Student*innen kürzlich einer Jury aus Vertreter*innen der Mentoren für Unternehmen in Schleswig-Holstein e.V., der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein (TA.SH) und der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IBSH) vorstellten. Am Ende wurde den Gewinner-Teams zum ersten Mal der FHreSH-Award verliehen.
Durch praxisorientierte Aufgabenstellungen sollen Studierende im Capstone-Modul an die Gründerszene herangeführt werden und erste Eindrücke rund um das Unternehmertum sammeln. Gewöhnlich findet sowohl die Auftakt- als auch die Abschlussveranstaltung des Moduls im Audimax der FH Kiel statt. Wie so vieles in diesem Sommersemester wurden jedoch alle Termine online abgehalten, so dass sich die Student*innen in Zoom-Meetings selbst organisieren mussten. „Für die Studierenden war es eine besondere Herausforderung, weil man sich in zufällig zusammengestellten Teams mit einer Gründungsidee für nachhaltigen Tourismus in Schleswig-Holstein auseinandersetzen musste“, sagt Doris Weßels, die gemeinsam mit Anja Wiebusch, Rob Wiechern, Maria Laatsch und Jens Langholz das Modul leitete. Aufgeteilt in zwei „Kohorten“ präsentierten 29 Teams verschiedenste Ansätze, von denen am Ende vier Gewinnerprojekte ausgewählt wurden.
Den Sieger der ersten Gruppe bestimmten die Jurymitgliederinnen Dorothee Thomanek, erste Vorsitzende der Mentoren für Unternehmen in Schleswig-Holstein e.V., und Dr. Bettina Bunge, Geschäftsführerin der Tourismusagentur Schleswig-Holstein. „Wir möchten gerne im Sea-Venture Hotel übernachten“, sagte Thomanek, und verkündet damit den ersten Platz. Mit dem Konzept, Hotels aus gebrauchten Seecontainern zu fertigen habe das Team „einen Trend entdeckt, der ganz besondere Urlaubserlebnisse ermöglicht“, so Thomanek weiter. Den zweiten Platz belegte das Projekt „Campfort Zone“, welches sich für nachhaltige Campingplätze in Schleswig-Holstein einsetzt. „Das Projekt hat definitiv Potenzial für die Zukunft“, meinte Bettina Bunge.
„Es waren super spannende Ansätze dabei, am Ende waren wir uns aber relativ schnell einig“, berichtete Annina Klar von der TA.SH., die gemeinsam mit Katharina Preusse, Förderlotsin der Investitionsbank Schleswig-Holstein, für die Bewertung der zweiten Kohorte zuständig war. Green Tour SH überzeugte die Jurymitgliederinnen mit einem „ganzheitlichen Modell“, so Klar. Die Idee schließe die Lücke zwischen Nachhaltigkeit und Tourismus. Mit ihrem Geschäftskonzept, hochwertige Souvenirs in Schleswig-Holstein anzufertigen, welche Urlauber*innen mit nach Hause bringen, belegte das Projekt „Vergessene Souvenirs“ Rang zwei. Passend zum Motto des Gründungsmoduls erhielten die Gewinner-Teams ein Zertifikat sowie Gutscheine für den Sandhafen und Stand Up Paddling.
Doch nicht nur von den Gruppen, die eine Platzierung erreichten, zeigte sich die Jury beeindruckt: „Das Team der ‚Fahrradtankstelle‘ hat etwa eine grandiose Präsentation mit eigenem Corporate Design entwickelt“, berichtete Bettina Bunge. Das Konzept dahinter vereint einen Fahrradverleih mit einer Reparatur-Werkstatt, einem Shop und einem Restaurantbetrieb. Ideen wie „Ferien auf dem Bauernhof“, ein Angebot für Klassenfahrten nach Schleswig-Holstein im Sinne ökologischer Bildung für Schüler*innen, sowie das Start-Up „Elektrofähre für SH“ komplettieren die breit gefächerten Ansätze der Studierenden. Obwohl ein Großteil von ihnen noch keine Erfahrungen in der Tourismusbranche sammeln konnte, lieferten die BWL- und Wirtschaftsinformatik-Student*innen neue Impulse für die vertretenen Unternehmen. „Die Herausforderungen aus der Praxis, die uns tagtäglich beschäftigen, waren in den Präsentationen wiederzuerkennen – zum Beispiel, dass wir Schleswig-Holstein als Ganz-Jahres-Destination vermarkten wollen“, resümierte Annina Klar im Namen der TA.SH, und erhält daraufhin Zustimmung von Geschäftsführerin Bettina Bunge: „Mit einigen Bereichen, welche die Studierenden angesprochen haben, müssen wir uns selbst beschäftigen. Wir nehmen daher Hausaufgaben für uns als Organisation mit.“ Bunge ermutigte die Studierenden, die Tourismusagentur weiter zu begleiten und zukünftig in Form von Projektarbeiten, Praktika oder Jobs mitzuwirken. Sie hoffe, dass sich manche Ideen umsetzen lassen, so dass die TA.SH die Projekte vermarkten kann. „Es ist noch ein weiter Weg für den nachhaltigen Tourismus in Schleswig-Holstein, und den gehen wir gerne mit Ihnen gemeinsam“, sagte sie abschließend.
Katharina Preusse von der IB.SH stellte den jungen Unternehmer*innen ebenfalls eine Zusammenarbeit in Aussicht: „Ich sehe solche Veranstaltungen immer als Win-Win für beide Seiten an.“ Während die Studierenden parallel zum Studium an ihren Gründungsideen arbeiten können, erhalten sie durch den Kontakt mit Unternehmen bereits erste Möglichkeiten einer Finanzierung. „Wenn Sie das aktuelle oder ein anderes Projekt umsetzen möchten, kommen Sie gerne auf uns zu“, sagte Preusse an die Studierenden gerichtet. Das Unternehmertum in Schleswig-Holstein weiter zu fördern hält auch Dorothee Thomanek für eine sinnvolle Sache: „Man kann nicht früh genug anfangen, sich mit solchen Themen zu beschäftigen“, meinte sie und fügte hinzu: „Sich in Schleswig-Holstein selbstständig zu machen ist wichtig – wir brauchen Start-Ups und junge Unternehmen mit frischen Ideen.“
Da das Gründungsmodul in diesem Semester kurzerhand an die Onlinelehre angepasst werden musste, zeigten sich die verantwortlichen Dozent*innen angesichts der gelungenen Veranstaltung zufrieden und erleichtert zugleich. „Wir waren am Anfang etwas aufgeregt, weil es für uns auch neu ist, eine Veranstaltung in dem Stil durchzuziehen“, gestand Doris Weßels. Die Projektarbeiten waren für die Studierenden eine echte Herausforderung, betonte Rob Wiechern: „Wir haben in diesem Semester unter besonders erschwerten Bedingungen gearbeitet.“ Umso beeindruckender ist es, dass die Veranstaltung mit mehr als 140 Teilnehmer*innen reibungslos über die Bühne ging. Das Event muss aber nicht unbedingt das Ende für die Projekte bedeuten. „In Kiel und an der Fachhochschule gibt es eine Vielzahl an Angeboten, Ideen weiter auszuarbeiten – zum Beispiel in der Starterkitchen oder bei Open Campus“, sagte Jens Langholz. Beratung rund um die Gründerszene können Studierende aller Fachbereiche sich zudem im StartUp Office einholen.